Zuschnitt der Betriebsratswahl: Was tun, wenn der Wahlvorstand falsch abbiegt?


Der Wahlvorstand ist der „Herr des Verfahrens“ der Betriebsratswahlen. Er hat insbesondere großen Einfluss auf den Kreis der tatsächlich Wahlberechtigten. Gelegentlich weicht er im Verfahren bei dieser Festlegung von dem Kreis der rechtlich Wahlberechtigten ab. Die rechtlichen Reaktionsmöglichkeiten für den Arbeitgeber sind dann begrenzt. Dennoch lohnt es sich, aktiv zu werden.

Eine der ersten Amtshandlungen des neu gebildeten Wahlvorstands ist die Aufstellung der Wählerlisten. Dazu kontaktiert der Vorstand den Arbeitgeber, um die notwendigen Beschäftigtendaten zu erhalten. Bereits hier werden wichtige Weichenstellungen getroffen. Denn mit dieser Anfrage gibt der Vorstand zu erkennen, welche Populationen er für wahlberechtigt hält (z.B. indem er ausdrücklich die Daten der Beschäftigten einer Zweigstelle abfragt, die bislang nicht ans betriebsangehörig behandelt werden).

In diesem Punkt kann es schnell zu Meinungsverschiedenheiten kommen. Insbesondere in komplexeren Unternehmens- und Konzernstrukturen ist gelegentlich unklar, welche Teams zum rechtlichen Betrieb gehören und damit wahlberechtigt sind. Der Arbeitgeber steht dann vor der Frage, ob er die Wählerliste wie angefordert übergibt, auch wenn sie nicht mit dem Kreis der nach seiner Einschätzung wahlberechtigten Personen übereinstimmt.

Einsprüche gegen die Handlungen des Wahlvorstands

Im ersten Schritt wird der Arbeitgeber immer zunächst auf den Wahlvorstand zugehen und die eigene Position darlegen. Oft genug lassen sich Divergenzen im Austausch lösen. Wer der eigenen Position Nachdruck verleihen will, wird die abweichende Auffassung als formalisierten Einspruch gegen die Handlung des Wahlvorstands erheben. Juristisch ist ein solcher Einspruch allerdings nur in § 19 Abs. 3 BetrVG für das Aufstellen der Wählerlisten vorgesehen. Auch in anderen Stadien ist eine formalisierte Einwendung aber sinnvoll, um für den Fall eines späteren Gerichtsverfahrens darlegen zu können, dass alle außergerichtlichen Mittel ausgeschöpft wurden, um auf die Richtigkeit der Betriebsratswahl hinzuwirken. Der Wahlvorstand wird sich mit der Beanstandung auseinanderzusetzen. Allerdings – und das ist wichtig zu wissen – muss er ihr nicht folgen. Er kann die Bedenken zurückweisen und an seiner Auffassung festhalten.

Im Streitfall: Muss der Arbeitgeber die Listen wie gefordert herausgeben?

Könnten sich Arbeitgeber und Wahlvorstand nicht einigen, mag die Arbeitgeberseite versucht sein, die Daten für die Arbeitnehmerlisten zurückzuhalten. Insoweit ist aber Vorsicht geboten, den bei einem Zurückhalten der Unterlagen ist das Eskalationspotenzial hoch.

Der Arbeitgeber ist nach § 2 der Wahlordnung zum BetrVG verpflichtet, dem Wahlvorstand die erforderlichen Unterlagen herauszugeben. Verweigert der Arbeitgeber die Herausgabe, reagieren Wahlvorstände oft mit rechtlichen Schritten, immer wieder auch mit Anträgen auf einstweilige Verfügungen. Denn ohne die Daten des Arbeitgebers kann die Wahl nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden.

Die Rechtsprechung ist hier streng. Eine einstweilige Verfügung kann nicht nur erwirkt werden, wenn der Arbeitgeber die Mitwirkung gänzlich versagt. Der Arbeitgeber wird in der Regel auch nicht dem Einwand gehört, der Wahlvorstand habe den Kreis der Wahlberechtigten unrichtig bemessen. Hält der Wahlvorstand z.B. eine Niederlassung für wahlberechtigt, die nach Auffassung des Arbeitgebers nicht zum Betrieb gehört, befasst sich das Arbeitsgericht mit diesem Einwand grundsätzlich nicht. Der räumliche bzw. betriebliche Zuschnitt der Wahl wird insoweit im Vorbereitungsstadium dem Wahlvorstand überlassen. Erst wenn eine Betriebsratswahl nach dem Zuschnitt des Wahlvorstands nichtig wäre, kann es zulässig sein, wenn der Arbeitgeber Unterlagen zurückhält. Bei der sog. Verkennung des Betriebsbegriffs wird das in aller Regel nicht der Fall sein. Eine mögliche Ausnahme ist eine Kollision in der Betriebsratszuständigkeit, die die Arbeitsgerichte vermeiden wollen. Will ein Wahlvorstand eine Einheit mitwählen lassen, die bereits von einem anderen Betriebsrat vertreten ist, lässt die Rechtsprechung den Wahlvorstand mitunter mit seinem Herausgabeverlangen scheitern. Gleiches gilt, wenn zwar noch kein Betriebsrat existiert, aber bereits ein anderer Wahlvorstand seine Zuständigkeit für die im Streit stehende Einheit reklamiert und die Wahl eingeleitet hat. In komplexen Betriebsstrukturen lohnt also eine nähere Prüfung, ob ein Wahlvorstand womöglich seine Zuständigkeit zu weit erstreckt hat.

Im Regelfall wäre der Anspruch auf Herausgabe der Unterlagen durch den Arbeitgeber aber gerichtlich durchsetzbar. Ob Arbeitgeber es auf eine gerichtliche Klärung ankommen lassen und durch ein im Ergebnis nachteilhaftes Verfahren den Konflikt eskalieren lassen, sollten sie sorgfältig erwägen. Kommt der Arbeitgeber trotz Bedenken den Forderungen des Wahlvorstands nach, sollte er aber bei Übersendung der Unterlagen auf seine gegenteilige Auffassung hinweisen. Andernfalls kann er später unter Umständen nicht gegen die Betriebsratswahl vorgehen, weil er die Unrichtigkeit der Wählerliste mit verursacht hat (§ 19 Abs .3 S. 3 BetrVG).

Klärung der Betriebsstruktur im Gerichtsverfahren?

Lässt sich der Wahlvorstand nicht überzeugen, bleibt im Ergebnis nur eine gerichtliche Klärung. Für das laufende Wahlverfahren steht das einstweilige Verfügungsverfahren zur Verfügung. Eine fehlerhaft geplante Wahl lässt sich über dieses Mittel möglicherweise korrigieren oder abbrechen. Die Hürden sind allerdings hoch. Einen Abbruch der Wahl wird das Arbeitsgericht nur anordnen, wenn die geplante Wahl voraussichtlich nichtig wäre.

Es gilt im Wesentlichen der gleiche Maßstab wie bei der Herausgabe der Wählerlisten: Der falsche Zuschnitt der Wahl durch den Wahlvorstand kann nur in evidenten Fällen als Nichtigkeitsgrund herangezogen werden. Kleinteilige Diskussionen über die Frage, welche Einheiten als Betrieb oder selbständiger/unselbständiger Betriebsteil zu qualifizieren sind, möchten die Arbeitsgerichte im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht führen.

Steht eine Nichtigkeit nicht zu befürchten, bleibt zumindest die Anfechtung der Wahl möglich. Sie ist im Anschluss an die Wahl zu beantragen. Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung eines solchen Verfahrens vergehen aber schnell 1,5-2 Jahre (mitunter auch länger). Bis dahin bleibt der Betriebsrat im Amt. Von vielen Arbeitgebern wird die Anfechtung darum als unnütz abgetan. Umgekehrt ist zu erwägen, ob die fehlerhafte Wahl toleriert und der Betriebsrat damit legitimiert wird. Es bleibt die Einleitung eines sog. Statusverfahrens (§ 18 Abs. 2 BetrVG). In diesem Verfahren können Arbeitgeber, Betriebsrat und andere Beteiligte losgelöst von einer konkreten Betriebsratswahl klären lassen, wie die betriebliche Struktur und die resultierende Betriebsratszuständigkeit zu bewerten sind. Juristisch hilft dieses Vorgehen nicht, wenn die Betriebsratswahl bereits gestartet ist. Bis das Verfahren abgeschlossen ist, sind die Wahlen längst abgeschlossen.

Dennoch lohnt es sich, zu erwägen, ob ein solches Verfahren eingeleitet wird. Es unterstreicht einerseits die Entschiedenheit des Arbeitgebers, auf eine korrekte Betriebsratsstruktur zu wirken. Andererseits kann ein rechtzeitig eingeleitetes Verfahren zumindest einen Gütetermin vor Durchführung der Wahl ermöglichen, in dem der Wahlvorstand zu beteiligen ist. Das Gericht kann in diesem Fall als Vermittler agieren und möglicherweise eine nachfolgende langwierige gerichtliche Auseinandersetzung verhindern.

Fazit: Handeln Sie bestimmt und strategisch

Konflikte über die Abgrenzung der Wahlberechtigten sind keine Seltenheit, insbesondere in Unternehmen und Konzernen mit komplexen Strukturen. Die Personalverantwortlichen haben in diesem Fall begrenzte rechtliche Mittel. Dennoch ist es häufig empfehlenswert, aktiv zu werden. Wie der Arbeitgeber hat auch der Wahlvorstand – der später häufig im Betriebsrat vertreten ist – oft kein Interesse an einer langwierigen rechtlichen Auseinandersetzung und die resultierende Unklarheit, ob der Betriebsrat wirksam gewählt ist. Umgekehrt ist der Arbeitgeber häufig gut beraten, eine Eskalation zu vermeiden. Eine Betriebsratswahl mit erfolglos geführten gerichtlichen Verfahren kann eine spürbare Belastung für die künftige Zusammenarbeit mit den Betriebsratsgremien sein. Sind die im Raum stehenden Fehler bei der Bestimmung der Wählerschaft gering, spricht vieles dafür, die eigene Position nicht mit zu viel Nachdruck zu verfolgen. Weitere Beiträge unserer Reihe zu Betriebsratswahlen geben Hinweise zum Ablauf des Wahlverfahrens und zum Betriebsbegriff und Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitgebers.