Wie die Bundesregierung die Fachkräfte-Einwanderung ermöglichen und für sich nutzen möchte


Am 30. November 2022 hat die Bundesregierung Eckpunkte für einen Gesetzesentwurf beschlossen, der die Einwanderung von Fachkräften vereinfachen soll.

I. Fachkräftemangel 

Aktuell verschont der demografische Wandel keine Branche in Deutschland. Insbesondere deutlich wird diese Veränderung der Gesellschaftsstruktur anhand des sich verschärfenden Fachkräftemangels. In bestimmten Regionen und Branchen sind zahlreiche Stellen offen, die nicht mit geeignetem Personal besetzt werden können. Eine Besserung ist nicht zu erwarten. Laut Forschungsministerin Stark-Watzinger, die Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zugrunde legt, hat Deutschland einen Bedarf an Zuwanderung von jährlich netto 400.000 Personen.

II. Das Vorhaben der Bundesregierung

 Diesem Problem möchte die Bundesregierung nun aktiv entgegenwirken und das Einwanderungsrecht erleichtern. Dazu hat das Bundeskabinett Eckpunkte für eine Modernisierung des Fachkräfteeinwanderungsrechts verabschiedet. Aus diesen Eckpunkten entwickelt das Arbeitsministerium einen Gesetzesentwurf, der Anfang des Jahres 2023 in den Bundestag eingebracht werden soll, so Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD).

Langfristig ist der Erwerb der deutschen Sprache wesentlich für die erforderliche Aufnahme der Tätigkeit. Außerdem sollen die für die Anerkennungsverfahren notwendigen Unterlagen zukünftig auch auf Englisch oder in der Originalsprache akzeptiert werden. Deutschland möchte daneben aktiv im Ausland für Tätigkeiten in Deutschland werben.

III. Das drei Säulen System

Die wesentlichen Änderungen werden von der Bundesregierung in drei Säulen unterteilt.

  1. Die erste Säule: Zuwanderer mit anerkanntem Berufsabschluss

Zuwanderer, die einen in Deutschland anerkannten Berufsabschluss vorweisen können, sollen künftig jede qualifizierte Tätigkeit ausüben dürfen. Dies gilt sogar für fachfremde Berufsfelder, sofern der Arbeitgeber von seiner Qualifikation überzeugt ist. Hochqualifizierte Zuwanderer mit einem Hochschulabschluss können die Blaue Karte EU beantragen, für welche die erforderlichen Gehaltsschwellen von EUR 56.400,00 brutto auf EUR 48.626,00 deutlich gesenkt werden soll. Außerdem soll eine Möglichkeit zur Einreise und zum Aufenthalt für Fachkräfte geschaffen werden, die ihre Berufsqualifikation aufgrund fehlender Unterlagen nicht oder nur teilweise nachweisen können, sofern sie dies nicht zu vertreten haben. Dann können sie in Deutschland abschließend geprüft werden.

  1. Die zweite Säule: Zuwanderer mit Jobangebot und Berufserfahrung, aber (noch) keinem anerkannten Berufsabschluss

Bei Zuwanderern ohne einen in Deutschland anerkannten Berufsabschluss soll das Augenmerk auf die Berufserfahrung gelegt werden. Sofern ein Berufsabschluss vorliegt, der in dem jeweiligen Heimatland staatlich anerkannt ist, genügen zwei Jahre Berufserfahrung, um einer solchen Tätigkeit in Deutschland nachzugehen. Etwas anderes gilt für Berufe, bei denen eine spezielle Zulassung erworben werden muss wie bei Anwälten oder Medizinern. Um zu verhindern, dass eigentlich qualifizierte Fachkräfte Hilfstätigkeiten ausüben, soll auch hier eine Gehaltsschwelle festgelegt werden, welche sich an der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung orientiert und sich auf 45 % (also EUR 39.420,00) beläuft. Von dieser Regelung kann abgewichen werden, wenn der ausländische Arbeitnehmer sich mit dem Arbeitgeber auf eine „Anerkennungspartnerschaft“ geeinigt hat. Demnach kann die Arbeit ab dem ersten Tag aufgenommen werden, wenn parallel die erforderlichen Qualifizierungen oder Anerkennungsverfahren laufen. Besonderheiten sollen für IT-Fachkräfte gelten, für die sowohl die Gehaltsschwelle als auch die Anforderungen an die erforderlichen Sprachkenntnisse gesenkt werden sollen.

  1. Die dritte Säule: Das Punktesystem

    Staatsangehörigen von Drittstaaten ohne Arbeitsangebot und hinreichende Arbeitsqualifikation, aber mit gutem Potenzial, soll ebenfalls die Möglichkeit eröffnet werden in Deutschland beruflich tätig zu werden. Dabei bildet ein transparentes Punktesystem, welches unbürokratisch sein soll, die Grundlage für eine „Chancenkarte zur Arbeitsplatzsuche“. Ein Zuwanderer kann sein Potenzial anhand gewisser Parameter (bspw. Deutschlandbezug, Alter, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung oder Qualifikation) unter Beweis stellen und Punkte sammeln.

VI. Zuwanderung mit dem Zweck einer Ausbildung

Die Bundesregierung hat bei ihren Eckpunkten auch nicht außer Betracht gelassen, dass die „Einwanderung zur Ausbildungsplatzsuche“ eine Option ist. Hieran soll angeknüpft werden durch verschiedene Anpassung beispielsweise in Bezug auf das erforderliche Sprachniveau, den nötigen Schulabschluss sowie die Altersgrenzen.

VII. Die Lösung einiger Probleme, jedoch nicht aller

Natürlich bleibt trotz der vielschichtigen Anknüpfung an verschiedene Sachverhalte gewisses Potenzial nicht ausgeschöpft. So kann die europäische Freizügigkeit durch Deutschland aktiver genutzt werden, um Arbeitnehmer anzuwerben. Dazu wäre wohl auch eine Vereinfachung der Bürokratie und ggf. die Schaffung gewisser Steueranreize notwendig. Darüber hinaus ist es dringend erforderlich die Anerkennungsverfahren für Aufenthaltstitel sowie die Visumsverfahren zu vereinfachen und zu verkürzen. Sonst bestünde zwar grundsätzlich die Möglichkeit für Zuwanderer in Deutschland tätig zu werden, allerdings würde sich die Umsetzung wieder verzögern. Das würde zumindest einer kurzfristigen Zielerreichung im Weg stehen. Hier wird also wieder das Thema der Digitalisierung relevant. Das Problem des Fachkräftemangels ist nicht nur ein Phänomen der Wirtschaft, sondern betrifft auch die Konsulate und Ausländerbehörden. Neben der Digitalisierung muss also auch an einen Ausbau ihrer Kapazitäten angeknüpft werden, um die Dauer etwaiger Verfahren zu verkürzen.