In Kündigungsschutzverfahren rückt der Annahmeverzugslohn zunehmend in den Mittelpunkt. Muss der Arbeitgeber Annahmeverzugslohn zahlen und was darf er verlangen, um böswillig unterlassenen Zwischenverdienst anzurechnen?
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat hierzu bereits Leitlinien gesetzt; ein aktuelles Urteil des LAG Köln zeigt sehr praxisnah, wie Arbeitgeber ihre Rechte durchsetzen und wo die Grenzen verlaufen. Ob und in welchem Umfang Zahlungen geschuldet sind,
erfordert eine einzelfallbezogene rechtliche Bewertung. Maßgeblich sind Auskunftspflichten, Zumutbarkeitskriterien und die Ernsthaftigkeit der Bewerbungsbemühungen.
Worum geht es rechtlich?
Kündigt der Arbeitgeber unwirksam, gerät er grundsätzlich in Annahmeverzug und schuldet Vergütung. Zugleich muss sich der Arbeitnehmer nach § 615 Satz 2 BGB und § 11 Nr. 2 KSchG anrechnen lassen, was er durch anderweitige Arbeit verdient oder böswillig zu verdienen unterlassen hat. Um eine Anrechnung wegen böswillig unterlassenen Zwischenverdiensten überhaupt prüfen und geltend machen zu können, kann der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer Auskunft über Vermittlungsvorschläge, Bewerbungsbemühungen und, soweit erforderlich, deren Inhalte verlangen. Erteilt der Arbeitnehmer die erforderlichen Auskünfte nicht, darf der Arbeitgeber die Zahlung des Annahmeverzugslohns bis zur Auskunftserteilung vorläufig zurückhalten (§ 273 BGB).
Die BAG-Leitlinien zu § 615 Satz. 2 und § 11 Nr. 2 KSchG
Auch im Annahmeverzug gilt der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB): Beide Seiten haben aufeinander Rücksicht zu nehmen. Dem Arbeitnehmer obliegt es, zumutbare Anstrengungen zur Aufnahme anderweitiger Arbeit zu unternehmen. Der Arbeitgeber darf im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit die hierfür erforderlichen Auskünfte verlangen. Der Arbeitnehmer muss dann Auskunft zu Art und Umfang seiner Suchbemühungen und deren Ergebnissen geben. Dazu können je nach Sachverhalt zählen:
Dieser Auskunftsanspruch besteht jedoch nur unter den folgenden Voraussetzungen:
Das BAG geht weiterhin auf den Begriff der Böswilligkeit im Sinne des § 11 Satz 2 KSchG ein. Ein Arbeitnehmer unterlässt demnach böswillig einen anderweitigen Verdienst, wenn ihm ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibt und eine ihm nach Treu und Glauben unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl nach Art. 12 GG zumutbare anderweitige Arbeit nicht aufnimmt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert. In der Praxis bedarf es zur Feststellung der Böswilligkeit eine Gesamtabwägung aller Umstände (Interessen beider Seiten, Zumutbarkeit der Tätigkeit, Qualifikation, Entlohnung, Arbeitszeitlage etc.).
LAG Köln Urt. v. 07.01.2025 – 7 SLa 78/24
Das LAG Köln hat Annahmeverzugslohn für einen längeren Zeitraum vorläufig nicht zugesprochen, weil der Arbeitnehmer seiner Auskunftspflicht zu Form und Inhalt seiner Bewerbungen noch nicht vollständig nachgekommen war. Die Arbeitgeberin durfte die Zahlung bis zur Auskunftserteilung nach § 273 BGB zurückbehalten.
Die Zurückhaltung war gerechtfertigt, da Indizien für Scheinbewerbungen vorlagen. Insbesondere eine ungewöhnlich hohe Quote ohne Reaktionen von potentiellen Arbeitgebern und inhaltliche Hinweise auf eine fehlende Ernsthaftigkeit der Bewerbung begründen erste Anhaltpunkte. Die erforderlichen Informationen waren der Arbeitgeberin rechtmäßig nicht anderweitig zugänglich und die verlangte Auskunft war dem Arbeitnehmer zumutbar. Zugleich verneinte das Gericht böswilliges Unterlassen in bestimmten Konstellationen: Die Ablehnung von Tätigkeiten im Fernverkehr aus gewichtigen familiären Gründen sowie die Ablehnung einer Gliederzug-Tätigkeit mangels Praxiserfahrung sind nicht böswillig. Eine Pflicht zur Fortbildung auf eigene Kosten besteht nicht. Das LAG Köln kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass die Beweislast über das böswillige Unterlassen anderweitiger zumutbarer Arbeit beim Arbeitgeber bleibt: Auch nach der Auskunftserteilung muss er substantiiert darlegen, dass sich der Arbeitnehmer im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast hierzu einlassen kann.
Fazit
Das Zusammenspiel von § 615 Satz 2 BGB und § 11 Nr. 2 KSchG ist klar: Der Arbeitnehmer muss zumutbare Anstrengungen unternehmen, anderweitige Arbeit zu finden und darüber auf berechtigtes Verlangen Auskunft geben. Arbeitgeber dürfen bis zur Auskunft ihre Leistung zurückhalten – müssen danach aber die Einwendung „böswilliges Unterlassen eines Zwischenverdienstes“ tragfähig darlegen.
Das LAG Köln stärkt die Praxis, Scheinbewerbungen zu identifizieren, setzt aber zugleich Grenzen: Nicht jede abgelehnte Stelle ist böswillig, insbesondere wenn familiäre Belange oder fehlende Qualifikation entgegenstehen. Wer also Personal- und Prozessplanung rund um Kündigungsschutz und Annahmeverzug rechtssicher gestalten will, sollte entsprechende Konstellationen frühzeitig mitbedenken, Auskunftsprozesse sauber aufsetzen und die Zumutbarkeit im Einzelfall sorgfältig bewerten.