Sonderabfindung wegen Schwerbehinderung im Sozialplan unterfällt nicht der Deckelung


Wenn eine Betriebsänderung die Verhandlung eines Interessenausgleichs und Sozialplans mit dem Betriebsrat erforderlich macht, ist die anzuwendende Abfindungsformel regelmäßig ein Element, um das besonders intensiv zwischen den Betriebspartnern gerungen wird. Sie haben dabei umfangreiche Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume, so dass sich in der Praxis unterschiedliche Berechnungsformeln zeigen. Das BAG hat nun jedoch eine wichtige Grenze in Bezug auf Höchstbetragsregelungen für solche Abfindungsformeln aufgezeigt (Urteil vom 11. Oktober 2022 – 1 AZR 129/21). Diese dürfen nicht zu einer Benachteiligung Schwerbehinderter führen.

Vielfach basiert die Abfindungsberechnung in Sozialplänen auf

  • der Dauer der Betriebszugehörigkeit,
  • dem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt,
  • einem – häufig abhängig vom Alter gestaffelten – Abfindungsfaktor sowie
  • Zuschlägen für unterhaltspflichtige Eltern
  • und Zuschlägen für Schwerbehinderte.

Zur Begrenzung der finanziellen Belastung für den Arbeitgeber und um mehr Verteilungsgerechtigkeit unter den betroffenen Arbeitnehmenden zu erzielen werden regelmäßig Höchstbetragsregelungen vorgesehen. Genau eine solche Deckelung der Abfindung auf maximal EUR 75.000,00 brutto führte im Fall des Klägers dazu, dass nicht nur ein erheblicher Teil seiner Abfindung von rechnerisch über EUR 90.000,00 nicht ausgezahlt wurde, sondern auch der Zuschlag in Höhe von EUR 2.000,00 wegen seines Grades der Behinderung von 80 wegfiel. Unter anderem diesen hat der Kläger eingefordert und damit in letzter Instanz Recht erhalten.

Das BAG leitet aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 BetrVG ab, dass sich Gruppenbildungen in Sozialplänen an deren zukunftsbezogener Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion orientieren müssen. Es ist insofern gerechtfertigt, dass die Betriebsparteien mit der Gewährung des zusätzlichen Abfindungsbetrags für schwerbehinderte Arbeitnehmende dem Umstand Rechnung tragen, dass diese bei einem Arbeitsplatzverlust typischerweise besondere Nachteile haben und schwerer eine neue Anstellung finden.

Hingegen beanstandet das BAG, dass die Höchstbetragsregelung gerade bei älteren Arbeitnehmenden zwischen 51 und 60 Jahren aufgrund der für sie geltenden höheren Abfindungsfaktoren leichter dazu führt, dass der zusätzliche Abfindungsbetrag wegen Schwerbehinderung wegfällt. Dadurch erhielten gerade diejenigen schwerbehinderten Arbeitnehmenden keinen spezifischen Ausgleich für die durch ihre besondere Situation bedingten wirtschaftlichen Nachteile infolge des Arbeitsplatzverlusts, bei denen diese Nachteile in besonderem Maß eintreten können. Das sei ungerechtfertigt und die Sozialplanregelung in diesem Einzelpunkt unwirksam.