Keine Fiktion eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses durch Urlaubsgewährung nach Befristungsablauf


Nach § 15 Abs. 6 Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG) gilt ein Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit geschlossen, wenn es mit Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt wird und dieser nicht unverzüglich widerspricht. In seiner Entscheidung vom 9. Februar 2023 (7 AZR 266/22) stellt das Bundesarbeitsgericht (BAG) klar, dass für eine „Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses“ i. S. d. Norm die einseitige Erfüllung von Leistungspflichten durch den Arbeitgeber nicht ausreicht. Vielmehr ist erforderlich, dass der Arbeitnehmer seine vertragsgemäßen Dienste nach Ablauf der Vertragslaufzeit tatsächlich ausführt.

Sachverhalt der Entscheidung

Die Parteien streiten in dritter Instanz darüber, ob das zwischen ihnen bestehende und bis zum 30. September 2020 befristet vereinbarte Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus unbefristet fortbesteht. Dem Arbeitnehmer als Kläger wurde ab dem 1. Oktober 2020 Erholungsurlaub genehmigt. Dies sah er als eine „Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses“ mit Wissen der Beklagten gem. § 15 Abs. 6 TzBfG an, mit der Folge, dass das ursprünglich befristete Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit geschlossen gelten sollte.

Einheitliche Entscheidungen der Gerichte

Sowohl die erste Instanz als auch die Berufungsinstanz sahen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 6 TzBfG als nicht erfüllt an, was das BAG in seiner Entscheidung bestätigt und die Revision des Klägers damit zurückweist. Das Arbeitsverhältnis der Parteien gilt durch die Urlaubsgewährung nach Befristungsablauf nicht als auf unbestimmte Zeit verlängert.

§ 15 Abs. 6 TzBfG regelt eine gesetzliche Fiktion aufgrund schlüssigen Verhaltens

Rechtsfolge des §15 Abs. 6TzBfG ist, dass das zunächst befristet eingegangene Arbeitsverhältnis aufgrund der weiteren Fortsetzung als auf unbestimmte Zeit geschlossen gilt. Die Fiktion der Fortführung des Arbeitsverhältnisses unabhängig vom Willen der Parteien beruht auf einem schlüssigen Verhalten, mit der diese zum Ausdruck bringen, dass sie das Arbeitsverhältnis verlängern wollen. Die Fortsetzung der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer mit Wissen des Arbeitsgebers bringt diesen Willen in der Regel zum Ausdruck.

Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses

Das Tatbestandsmerkmal „Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses“ wird nicht schon dadurch erfüllt, dass der Arbeitgeber einseitig seiner Leistungspflicht in Form von Entgeltzahlungen nachkommt, ohne gleichzeitig die Gegenleistung des Arbeitnehmers in Anspruch zu nehmen. Alleinige Fortsetzungshandlungen des Arbeitsgebers, wie die Gewährung von Urlaub, Freizeitausgleich für geleistete Mehrarbeit oder die aus Versehen weitergezahlte Vergütung an einen arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmer (LAG Hamm, Urt. v. 5 Sep. 1990 – 15 Sa 1038/90, juris) über das vereinbarte Vertragsende hinaus, führen nicht dazu, dass das Arbeitsverhältnis als auf unbestimmte Zeit verlängert gilt.

Vielmehr ist erforderlich, dass der Arbeitnehmer seine vertragsgemäßen Pflichten nach Ablauf der Vertragslaufzeit tatsächlich ausführt. Er muss seine Arbeitsleistung bewusst und in der Bereitschaft fortsetzen, die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis weiter zu erfüllen.

Keine tatsächliche Ausführung dieser Pflichten stellt die bloße Inanspruchnahme des Urlaubs dar. Zwar liegt die Erholung während des Urlaubs dem Urlaubszweck zugrunde. Jedoch schuldet der Arbeitnehmer, abgesehen von dem in § 8Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) enthaltenen Verbot der Leistung von dem Urlaubszweck widersprechender Erwerbstätigkeit, kein urlaubszweckgemäßes Verhalten der „Erholung“.

Mit Wissen des Arbeitgebers

Weiteres Tatbestandsmerkmal ist die Fortsetzung mit Wissen des Arbeitgebers. Arbeitgeber i S v § 15 Abs. 6TzBfG ist nicht jeder Vorgesetzte des betroffenen Arbeitnehmers, sondern derjenige, der den Arbeitnehmer beschäftigt und mit dem (oder seinem Vertretungsbevollmächtigten) der Arbeitsvertrag geschlossen wurde. Seiner Kenntnis steht die Kenntnis der zum Abschluss von Arbeitsverträgen berechtigten Vertreter jedoch gleich.

Bei Leiharbeitsverhältnissen kommt es grundsätzlich auf die Kenntnis des Verleihers als Vertragsarbeitgeber an. Arbeitet der entliehene Arbeitnehmer mit Kenntnis des Entleihers weiter, muss sich der Verleiher dieses Wissen nur zurechnen lassen, wenn er den Entleiher zum Abschluss von Arbeitsverhältnissen bevollmächtigt hat oder ihm dessen Handeln nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht zuzurechnen ist (BAG, Urt, v. 28. Sep. 2016 – 7 AZR 377/14, openJur 2019, 1635 (Rn. 35)).