Der Umfang von Auskunfts- und Einsichtsrechten des Betriebsrats ist immer wieder Streitthema in der Praxis. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat kürzlich klargestellt, dass der Betriebsrat eine dauerhafte Überlassung der Bruttoentgeltlisten im Rahmen des Entgelttransparentgesetzes (EntgTranspG) zu keiner Zeit verlangen kann. Zudem hat der Betriebsrat nur für den Fall ein Einsichtsrecht nach dem EntgTranspG in Bruttoentgeltlisten, wenn er für individuelle Auskunftsverlangen der Beschäftigten zuständig ist (vgl. Urteil vom 29. September 2020 – Az.: 1 ABR 32/19).
Zweck des 2017 in Kraft getretenen EntgTranspG ist es, gleiches Entgelt für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicherzustellen. Beschäftigte in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten haben einen Auskunftsanspruch, durch den sie das Gehalt einer Person des anderen Geschlechts, die eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit wie sie selbst ausübt, erfahren und so eine etwaige Ungleichbezahlung überprüfen können. Bei Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot kann die (oder auch der) betroffene Beschäftigte eine Anpassung des Gehalts nach oben verlangen.
Nach der Gesetzeskonzeption ist grundsätzlich der Betriebsrat für die Auskunftsverlangen der Beschäftigten zuständig. Um der Anfrage nachkommen zu können, hat der Betriebsrat ein Einsichtsrecht gegen den Arbeitgeber in die nach Geschlecht aufgeschlüsselten Bruttoentgeltlisten. Der Arbeitgeber kann jedoch auch von der Möglichkeit Gebrauch machen, die Erfüllung von Auskunftsverlangen zu übernehmen und so dem Betriebsrat die Zuständigkeit zu entziehen.
Der Betriebsrat machte gegen die Arbeitgeberin – ein im Gesundheitswesen tätiges Unternehmen – einen Anspruch auf dauerhafte Überlassung der nach Geschlecht aufgeschlüsselten Bruttoentgeltlisten für einen bestimmten, in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, geltend. Die Aushändigung der Listen sei notwendig, damit der Betriebsrat seiner Aufgabe zur Förderung von Entgeltgleichheit und seinen betriebsverfassungsrechtlichen Überwachungspflichten nachkommen könne. Da die Arbeitgeberin dies verweigerte, leitete der Betriebsrat ein Beschlussverfahren ein.
Wie schon die Vorinstanzen verwehrte auch das BAG dem Betriebsrat sowohl die dauerhafte Überlassung als auch das Einsichtsrecht in die Entgeltlisten. Eine Überlassung sehe weder § 13 Abs. 2 Satz 1 EntgTranspG noch § 80 Abs. 2 Satz 2 HS. 2 BetrVG vor.
Zum anderen befand das BAG, dass ein Einsichtsrecht des Betriebsrats nach dem EntgTranspG nur für den Fall besteht, dass dieser für die Beantwortung individueller Auskunftsverlangen der Beschäftigten zuständig ist. Ob dies der Fall ist, hängt von der konkreten Regelung im Betrieb ab. Der Anspruch besteht also dann nicht (mehr), wenn der Arbeitgeber die Auskunftserteilung nach § 14 Abs. 2 EntgTranspG an sich gezogen hat und deshalb allein für diese zuständig ist (so bereits BAG 28. Juli 2020 – Az.: 1 ABR 6/19).
Im Übrigen lehnte das BAG auch einen Anspruch auf Überlassung der Listen auf Basis des allgemeinen Auskunftsanspruchs des Betriebsrats zur Erfüllung seiner Aufgaben ab (§ 80 Abs. 2 Satz 2 HS. 2 i. V. m. HS. 1 BetrVG). Bei einem Verweis auf seine „Aufgabe zur Förderung der Durchsetzung der Entgeltgleichheit“ bedürfe es näherer Darlegung, für welche konkreten Förderungsmaßnahmen bestimmte Auskünfte benötigt werden. Dies sei insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil die Entgeltlisten für einen bereits vergangenen Zeitraum angefordert wurden und so der Zukunftsbezug nicht deutlich werde.