Die Ampel kommt! Welche Neuerungen die Ampel-Koalition im Arbeitsrecht plant.


Am 24. November 2021 einigten sich die Koalitionspartner SPD, Grüne und FDP auf einen Koalitionsvertrag. Aus arbeitsrechtlicher Sicht sind insbesondere die folgenden geplanten Änderungen der neuen Regierung beachtenswert:

Das Kapitel IV. des Koalitionsvertrags mit dem Titel „Respekt, Chancen und soziale Sicherheit in der modernen Arbeitswelt“ eröffnen die Koalitionspartner unter anderem mit dem Halbsatz
„[wir] schaffen ein modernes Arbeitsrecht, das Sicherheit und fair ausgehandelte Flexibilität ermöglicht.“

Dem Anspruch, ein modernes Arbeitsrecht zu schaffen, werden die Koalitionspartner dem weiteren Inhalt des Koalitionsvertrags nach zu urteilen, nur in Teilen gerecht.

Weiterbildung

Zu begrüßen ist, dass die Koalitionspartner Weiterbildung explizit fördern wollen, um der Digitalisierung der Wirtschaftswelt und dem demografischen Wandel gerecht zu werden.

Unter anderem planen die Koalitionspartner, ein an das Kurzarbeitergeld angelehntes Qualifizierungsgeld einzuführen, mit Hilfe dessen Unternehmen im Strukturwandel ermöglicht werden soll, ihre Beschäftigten durch Qualifizierung im Unternehmen zu halten und Fachkräfte zu sichern. Voraussetzung dafür sollen Betriebsvereinbarungen sein. Gleichzeitig sollen Anreize für Transformationstarifverträge geschaffen sowie das Transfer-Kurzarbeitergeld ausgeweitet werden. Angesichts der zunehmenden Transformationsprozesse sind diese Maßnahmen begrüßenswert.

 

Arbeitszeit und Arbeitsort

Zwar wünschen sich die Koalitionspartner ein modernes Arbeitsrecht, welches eine fair ausgehandelte Flexibilität ermöglicht. Hierzu passt der Umgang mit der Arbeitszeit allerdings nicht. Entgegen vielfacher Überlegungen in der Vergangenheit halten die Koalitionspartner an dem Grundsatz des Acht-Stunden-Arbeitstags in dem Arbeitszeitgesetz fest, statt eine flexiblere Wochenhöchstarbeitszeit einzuführen.

Eine flexiblere Gestaltung soll durch Tarifverträge möglich gemacht werden. Außerdem wollen die Koalitionspartner eine begrenzte Möglichkeit zur Abweichung von den derzeit bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der Tageshöchstarbeitszeit schaffen, wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen, aufgrund von Tarifverträgen, dies vorsehen. Eine nahezu identische Formulierung befand sich bereits in dem Koalitionsvertrag der letzten Großen Koalition.

Unklar ist die Formulierung, welche die Koalitionspartner im Zusammenhang mit mobiler Arbeit gewählt haben.

Erfreulich ist, dass die Koalitionspartner zunächst folgenden Satz in den Koalitionsvertrag aufgenommen haben: „Homeoffice grenzen wir als eine Möglichkeit der Mobilen [sic!] Arbeit rechtlich von der Telearbeit und dem Geltungsbereich der Arbeitsstättenverordnung ab.“ Daraus ließe sich schließen, dass in einem Homeoffice die strengen Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung an das Homeoffice nicht eingehalten werden müssen.

Aus dem darauffolgenden Satz „Arbeitsschutz, gute Arbeitsbedingungen und das Vorhandensein eines betrieblichen Arbeitsplatzes sind bei mobiler Arbeit wichtige Voraussetzungen.“ ergibt sich jedoch, dass die Koalitionspartner unter mobilem Arbeiten, hybride Arbeit verstehen; nicht also die reine Homeoffice-Tätigkeit, sondern den Fall, dass der Arbeitnehmer sowohl in dem Homeoffice also auch in dem Betrieb des Arbeitgebers seiner Arbeit nachgehen kann.

Ferner sollen Arbeitnehmer – wie es bereits in der Vergangenheit in dem von der CDU blockierten Mobile-Arbeit-Gesetz vorgesehen war – einen Erörterungsanspruch auf mobiles Arbeiten und Homeoffice erhalten. Arbeitgeber sollen dem Wunsch, mobil oder im Homeoffice zu arbeiten, nur widersprechen können, wenn betriebliche Belange entgegenstehen.

Zudem soll mobile Arbeit EU-weit unproblematisch möglich gemacht werden. Dies ist ein sehr praxisrelevanter Punkt und eine Umsetzung wäre begrüßenswert. Eine unproblematische Durchführung mobiler Arbeit im EU-Ausland muss allerdings insbesondere steuer- und sozialversicherungsrechtliche Vorschriften der betroffenen Staaten berücksichtigen.

 

Selbständige

Selbständigen soll ein erleichterter Zugang zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung ermöglicht werden.

Außerdem sollen alle neuen Selbständigen, die keinem obligatorischen Alterssicherungssystem unterliegen, einer Pflicht zur Altersvorsorge mit Wahlfreiheit unterliegen. Selbständige sollen in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sein, sofern sie nicht im Rahmen eines einfachen und unbürokratischen Opt-Outs ein privates Vorsorgeprodukt wählen. Die Rentenversicherung von Selbständigen war bereits in dem letzten Koalitionsvertrag vorgesehen.

 

Mindestlohn

Der Mindestlohn soll auf EUR 12 brutto pro Stunde erhöht werden.

 

Befristungen

Bei der Befristung von Arbeitsverträgen planen die Koalitionspartner, Arbeitgeber in ihrer Flexibilität einzuschränken. Zur Vermeidung von

Kettenbefristungen ist geplant, Befristungen mit Sachgrund bei demselben Arbeitgeber nur noch bis zu einer Gesamtdauer von sechs Jahren zuzulassen. Nur in eng begrenzten Ausnahmen soll ein Überschreiten dieser Höchstdauer möglich sein.

Bisher sind Sachgrund-Befristungen nach dem Gesetzestext zeitlich unbegrenzt möglich. Jedoch sah die Rechtsprechung in Extremfällen hinsichtlich Dauer und/oder Anzahl der Verlängerungen der Befristung häufig einen Rechtsmissbrauch, so dass die Befristung im Ergebnis unwirksam war. Vor diesem Hintergrund würde eine klare Höchstgrenze daher immerhin für Rechtssicherheit sorgen.

 

Arbeitnehmerüberlassung und Arbeitskräftemobilität

Beim Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ist im Falle einer europäischen Rechtsprechung geplant, ob und welche gesetzlichen Änderungen vorzunehmen sind.

Der Schutz von Beschäftigten bei grenzüberschreitenden Entsendungen soll verbessert werden.

Begrüßenswert ist, dass Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassung als notwendige Instrumente betont werden.

 

Tarifautonomie

Die Tarifautonomie, die Tarifpartner und die Tarifbindung sollen gestärkt werden.

 

Mitbestimmung

Die Betriebsratsarbeit soll entsprechend dem anfangs zitierten Vorsatz der Koalitionspartner flexibilisiert und modernisiert werden.

So sollen Betriebsräte selbstbestimmt entscheiden, ob sie analog oder digital arbeiten. Online-Betriebsratswahlen sollen in einem Pilotprojekt erprobt werden.

Gewerkschaften sollen ein „zeitgemäßes Recht auf digitalen Zugang in die Betriebe“ erhalten, das ihren analogen Rechten entspricht.

Die Behinderung der demokratischen Mitbestimmung, z.B. die Behinderung von Betriebsratsgründungen, soll künftig als Offizialdelikt eingestuft werden.

Außerdem wollen sich die Koalitionspartner dafür einsetzen, dass durch die Gründung von SE-Gesellschaften die Mitbestimmung nicht mehr vollständig vermieden werden kann.

 

Digitale Plattformen

Digitale Plattformen sind eine Bereicherung für die Arbeitswelt, deswegen sind nach Ansicht der Koalitionspartner gute und faire Arbeitsbedingungen wichtig. Die Initiative der EU-Kommission zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen auf Plattformen soll konstruktiv begleitet werden. Zu dem wichtigen Thema der künstlichen Intelligenz in der Arbeitswelt äußern sich die Koalitionspartner leider nur schemenhaft, indem sie ausführen „Bei der Gestaltung von KI in der Arbeitswelt setzen wir auf einen menschenzentrierten Ansatz, soziale und wirtschaftliche Innovation ebenso wie Gemeinwohlorientierung.“

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