Bevorstehende Betriebsratswahlen 2026: Was Arbeitgeber jetzt wissen müssen – Teil 2: Betriebsbegriff und Gestaltungsspielräume


Zwischen 1. März und 31. Mai 2026 finden in vielen Unternehmen die turnusmäßigen Betriebsratswahlen statt. Für Arbeitgeber ist es jetzt entscheidend, betriebsratsfähige Einheiten sauber zu bestimmen und – wo sinnvoll – den Betriebszuschnitt rechtssicher zu ordnen. Fehler bei der Abgrenzung von Betrieben, Betriebsteilen oder gemeinsamen Betrieben sind eine Quelle für Wahlanfechtungen mit entsprechenden Kosten für die Neuwahl und zusätzlichem Aufwand. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über den Betriebsbegriff, mögliche Feststellungwege und zulässige Gestaltungsspielräume.

Was gilt als betriebsratsfähige Organisationseinheit?

Ob und wo ein Betriebsrat gewählt wird, hängt maßgeblich davon ab, welche organisatorischen Einheiten im Unternehmen als betriebsratsfähig gelten.

  • Grundsatz: Betriebe mit in der Regel mindestens fünf wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, sind betriebsratsfähig (§ 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG).
  • Betriebsbegriff: Nach der Rechtsprechung ist der Betrieb die organisatorische Einheit, in der der Arbeitgeber mit seinen Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, dazu immaterielle und materielle Betriebsmittel einsetzt und die Belegschaft unter einheitlicher Leitung steuert. Maßgeblich sind die tatsächlichen Strukturen und Weisungswege, nicht die formale Unternehmensgliederung.

Gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen: Daneben kennt das Gesetz einen gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen (§ 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BetrVG). Er erfordert eine einheitliche Leitung aufgrund einer (auch konkludenten) Führungsvereinbarung. Eine gemeinsame Führung wird nach § 1 Abs. 2 BetrVG vermutet, wenn Betriebsmittel gemeinsam eingesetzt werden (Nr. 1) oder eine Spaltung zwar die Zuordnung des Betriebs ändert, die betriebliche Organisation aber im Wesentlichen unverändert bleibt (Nr. 2).

Betriebsteile: Schließlich können auch Betriebsteile eigenständig betriebsratsfähig sein, wenn dort regelmäßig mindestens fünf Wahlberechtigte tätig sind, drei wählbar sind und ein Mindestmaß an organisatorischer Selbstständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb besteht (§ 4 BetrVG). Ergänzend ist im Einzelfall zu prüfen, ob der Betriebsteil räumlich vom Hauptbetrieb getrennt ist oder nach Aufgabenbereich und Organisation eigenständig agiert. Die Betriebsratsfähigkeit von Betriebsteilen soll eine sachgerechte Arbeitnehmervertretung sicherstellen. Arbeitnehmer eines Betriebsteils können sich daher durch Beschluss der Wahl im Hauptbetrieb anschließen. Kleinstbetriebe mit weniger als fünf Arbeitnehmern nehmen kraft Gesetzes an der Wahl des Betriebsrats im Hauptbetrieb teil (§ 4 Abs. 2 BetrVG).

Wie lässt sich die Betriebsratsfähigkeit klären?

Die Betriebsratsfähigkeit einer organisatorischen Einheit kann – unabhängig von einer Wahl – im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG geklärt werden. Ein Beschluss nach § 18 Abs. 2 BetrVG entfaltet Bindungswirkung für spätere Verfahren, solange sich die tatsächlichen Verhältnisse nicht geändert haben. Ist die Betriebsratswahl bereits durchgeführt worden ist die Überprüfung der durchgeführten Wahl im Wahlanfechtungsverfahren (§ 19 BetrVG) möglich.

Vor der turnusmäßigen Betriebsratswahl 2026 ist in aller Regel allerdings kein rechtskräftiger Abschluss eines Verfahrens nach § 18 Abs. 2 BetrVG mehr zu erwarten. Eine Entscheidung nach der Wahl zudem wirkt grundsätzlich erst für die nächste Wahlperiode. Daher empfiehlt sich insbesondere für Unternehmen mit komplexen Strukturen, eine frühzeitige Analyse und – wo sinnvoll – eine klare, dokumentierte Organisationsgestaltung vor Einleitung des Wahlverfahrens. Zugleich sollte von betrieblichen Umstrukturierungen im Wahlzeitraum nach Möglichkeit abgesehen werden, um Unsicherheiten vorzubeugen.

Kann auf den Betriebszuschnitt rechtssicher Einfluss genommen werden?

Maßgeblich für die betriebsratsfähigen Einheiten sind die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Wahl. Der Arbeitgeber kann den Zuschnitt betriebsratsfähiger Einheiten steuern, indem er organisatorische Veränderungen vornimmt, durch die Betriebe im Sinne des BetrVG gebildet, zusammengelegt, gespaltet oder zerschlagen werden. Denkbar sind unter anderem folgende Gestaltungsmöglichkeiten:

  • Verlagerung der Leitung eines Betriebsteils: Wird die Leitung eines Betriebsteils in den Hauptbetrieb verlagert, kann die betriebsratsfähige Eigenständigkeit mangels örtlicher Leitung entfallen. Umgekehrt kann eine eigenständige örtliche Leitung die Eigenständigkeit eines Betriebsteils begründen. Zu beachten ist, dass entsprechende Organisationsentscheidungen Beteiligungsrechte bestehender Betriebsräte sowie ein Übergangsmandat auslösen können.
  • Gemeinsamer Betrieb: Ferner kann der Arbeitgeber einen gemeinsamen Betrieb begründen oder einen bestehenden gemeinsamen Betrieb, etwa durch Auflösung der Führungsvereinbarung, aufspalten.

Größe des Betriebsrats: Die Zahl der Betriebsratsmitglieder richtet sich nach der Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, maßgeblich sind grundsätzlich die Verhältnisse bei Erlass des Wahlausschreibens, das mindestens sechs Wochen vor dem ersten Tag der Stimmabgabe erlassen wird. Liegt die aktuelle Belegschaftsstärke nur knapp über einem der für die Zahl der (freizustellenden) Betriebsratsmitglieder maßgeblichen Schwellenwert der §§ 9, 38 BetrVG und sind ohnehin personelle Maßnahmen in Form von einem Stellenabbau geplant, kann es sich anbieten, diese vorzuziehen. Spätere Veränderungen der Personalstärke wirken sich auf die Größe des Betriebsrats nur dann aus, wenn die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer mit Ablauf von 24 Monaten vom Tage der Wahl an gerechnet um die Hälfte, mindestens aber um fünfzig gestiegen oder gesunken ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Zu beachten sind jedoch stets die Beteiligungsrechte des Betriebsrats sowie das Risiko, dass Arbeitnehmer in den Sonderkündigungsschutz fliehen, indem sie Teil des Wahlvorstands werden oder sich als Wahlbewerber aufstellen lassen.

Tariföffnung bzw. Regelung durch Betriebsvereinbarung: Durch Tarifvertrag können Arbeitnehmervertretungen vereinbart werden, die von den tatsächlichen Betriebsstrukturen abweichen (§ 3 BetrVG). Möglich ist ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat oder die Zusammenfassung mehrerer Betriebe. Voraussetzung ist jeweils, dass dies die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen dient. Ferner kann ein Spartenbetriebsrat gebildet werden, wenn dies der sachgerechten Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrats dient.  Besteht keine tarifvertragliche Regelung und gilt kein anderer Tarifvertrag kann eine entsprechende Regelung auch durch eine Betriebsvereinbarung getroffen werden. Besteht kein Betriebsrat können zudem auch die Arbeitnehmer die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats beschließen. Darüber hinaus kann ein Tarifvertrag andere Arbeitnehmervertretungsstrukturen gem. § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bestimmen, soweit sie im Einzelfall einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer dienen.

Welche Auswirkungen haben Fehler bei der Verkennung des Betriebsbegriffs?

Wie auch andere Fehler bei der Wahl führt eine Verkennung des Betriebsbegriffs nur ausnahmsweise – bei besonders schweren und offenkundigen Mängeln – zur Nichtigkeit der Wahl. Das gilt etwa, wenn die Wahl einer bindenden Entscheidung nach § 18 Abs. 2 BetrVG zuwiderläuft oder der Wahlvorstand offenkundig und bewusst zu Unrecht einen gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen zugrunde legt. Folge der Nichtigkeit ist, dass kein Betriebsrat wirksam gewählt ist. Die Nichtigkeit kann zeitlich unbefristet geltend gemacht werden. Im Übrigen ist die Wahl in der Regel jedoch bloß anfechtbar. Das gilt auch, wenn eine tarifvertragliche Gestaltung nicht den Anforderungen des § 3 BetrVG genügt. Die Anfechtung muss binnen zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses erfolgen. Anfechtungsberechtigt sind mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber. Der Betriebsrat bleibt während des Wahlanfechtungsverfahrens im Amt, sodass sich die Anfechtbarkeit zunächst nicht auf das Amt des Betriebsrates auswirkt.