Außerordentliche Kündigung wegen Verharmlosung des Holocaust


Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschied jüngst, dass Äußerungen bei dienstlichen Veranstaltungen, die die nationalsozialistischen Verbrechen verharmlosen, einen Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflicht darstellen, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Jan. 2020 - 9 Sa 434/19).

Vertriebsmitarbeiter stellt nationalsozialistische Verbrechen gegenüber Juden in Frage

Der betroffene Mitarbeiter war seit etwa vier Jahren bei der Arbeitgeberin als Vertriebsmitarbeiter tätig. Der Aufbau und die Pflege von Kundenbeziehungen sowie die Teilnahme an internationalen Kongressen und Veranstaltungen gehörten zu seinen wesentlichen Aufgaben. Bei dem Besuch eines Fachkongresses in Barcelona im April 2018 äußerte der Arbeitnehmer bei einem Abendessen, an dem auch drei Kunden der Arbeitgeberin teilnahmen, dass es Beweise gegen Judendeportationen im Dritten Reich gegeben habe. Fotografien von Eisenbahnschienen, die erst in den 50er verlegt worden seien, seien manipuliert. Zudem sei das Tagebuch der Anne Frank erst nach dem Krieg geschrieben worden. Eine Kundin, deren Familie von den Deportationen betroffen war, fühlte sich durch diese Äußerung sehr getroffen. Als die Arbeitgeberin hiervon erfuhr, kündigte sie das Arbeitsverhältnis ohne vorherige Abmahnung außerordentlich fristlos.

Entscheidung des Gerichts: Schwerwiegende Verletzung der Rücksichtnahmepflicht

Das LAG Berlin-Brandenburg erachtete die außerordentliche Kündigung für wirksam, da das Verhalten an sich und auch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine außerordentliche Kündigung rechtfertigte.

Denn jede Partei des Arbeitsvertrages sei dazu verpflichtet, Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der anderen Partei zu nehmen. Der Arbeitnehmer habe seine Arbeitspflichten so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben verlangt werden könne. Dies verpflichte Mitarbeiter im Rahmen von dienstlichen Veranstaltungen mit potentiellen Kunde keine Äußerungen zu tätigen, die nationalsozialistische Verbrechen gegenüber der jüdischen Bevölkerung in Abrede stellen oder verharmlosen. Diese Pflicht gelte unabhängig davon, ob solche Äußerungen außerhalb dienstlicher Veranstaltungen unter dem Schutz der allgemeinen Meinungsfreiheit stünden.

Als Vertriebsmitarbeiter repräsentiere der Mitarbeiter zudem das Unternehmen. Solche Äußerungen seien nicht nur geeignet, Kunden abzuschrecken, sondern auch den Ruf der der Arbeitgeberin zu schädigen. Der Arbeitnehmer habe seine zentralen Pflichten der Kontakt- und Imagepflege verletzt. Die erstmalige Hinnahme einer derartigen Pflichtverletzung sei der Arbeitgeberin nicht zuzumuten. Eine Abmahnung war daher nicht erforderlich. Zu Lasten des Arbeitnehmers sprach hier insbesondere, dass keine besonders lange Betriebszugehörigkeit vorlag und die Arbeitgeberin in der Vergangenheit bereits Abmahnungen wegen nicht erfüllter Dokumentationspflichten ausgesprochen hatte.