Arbeitgeber müssen sich nicht alles gefallen lassen – Grundsätze der verhaltensbedingten Kündigung


Das deutsche Arbeitsrecht bietet Arbeitnehmern grundsätzlich die Chance Fehlverhalten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses auszugleichen, ohne direkt mit einer Kündigung rechnen zu müssen. Die Grenze dazu bilden Fälle, in denen eine Besserung des Verhaltens nicht zu erwarten ist oder es dem Arbeitgeber nicht zumutbar ist, den Arbeitnehmer weiterhin zu beschäftigen. Insbesondere im Hinblick auf betriebliche Feierlichkeiten in der Weihnachtszeit sei dabei darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber nicht jedes Verhalten seiner Arbeitnehmer reaktionslos hinnehmen muss.

So entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits im August 2023 über die Wirksamkeit einer außerordentlich fristlosen Kündigung in Folge auf die Veröffentlichung stark rassistischer, beleidigender, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Textnachrichten eines Arbeitnehmers. Das Gericht erteilte der Vertrauchlichkeitserwartung des Arbeitnehmers eine Absage und stufte die Kündigung als wirksam ein. (BAG, Urt. v. 24.8.2023 – 2 AZR 17/23)

Sachverhalt

Der gekündigte Arbeitnehmer war seit 2014 Mitglied einer WhatsApp-Chatgruppe mit sieben Arbeitskollegen. Die Gruppenmitglieder waren langjährig befreundet und teilweise verwandt. Im Verlauf des Chats wurden auf der einen Seite rein private Themen besprochen. Daneben wurde allerdings sowohl von dem Kläger als auch von anderen Gruppenmitgliedern in beleidigender, fremdenfeindlicher, sexistischer und menschenverachtender Weise über Vorgesetzte sowie Kollegen gesprochen. Es kam zu Gewaltaufrufen gegen diese. Nachdem über Umwege der gesamte Chatverlauf der Gruppe an Kollegen und Betriebsratsmitglieder sowie den Arbeitgeber gelangte, wurde der Kläger am 28. Juli 2021 außerordentlich, fristlos gekündigt, hilfsweise mit Auslauffrist zum 31. März 2022.

Entscheidung

Während beide Vorinstanzen aufgrund der Vertraulichkeit der WhatsApp-Gruppe die Kündigung für unwirksam erachteten, sah das BAG in der Verwertung der Chatverläufe einen grundrechtswidrigen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers als nicht gegeben.

Die Chatgruppengröße lasse darauf schließen, dass der gekündigte Arbeitnehmer nur einen begrenzten subjektiven Willen zur Geheimhaltung hatte. Außerdem hätten die Aussagen keinen ihn betreffenden höchstpersönlichen Charakter, sondern zielten auf Herabwürdigung, Verächtlichmachung und Beleidigung anderer Personen ab. Durch die Gewaltaufrufe sei nicht nur seine Sphäre, sondern auch die Belange der Gemeinschaft betroffen.

Durch die groben Beleidigungen läge eine erhebliche Pflichtverletzung vor, sowohl der Hauptvertragspflichten als auch der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten in Form des Rücksichtnahmegebots gemäß § 241 Abs. 2 BGB. Allein der Umstand, dass die Äußerungen in einer privaten Chatgruppe geäußert wurden, könne nicht dazu führen, dass keine Vertragspflichtwidrigkeit vorliege. Eine einseitige Vertrauenserwartung des Arbeitnehmers reiche darüber hinaus nicht aus, um ein Beweisverwertungsverbot zu begründen. Dies gelte insbesondere bei Zusammenkünften einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern. Bei einer Kommunikation mit ein bis zwei anderen Arbeitnehmern könnte ggf. eine Vertraulichkeitserwartung gerechtfertigt sein, nicht jedoch bei sieben Personen.

Grundsätze der verhaltensbedingten Kündigung

Muss der Arbeitgeber, wie in diesem Fall, das Verhalten einzelner Arbeitnehmer nicht hinnehmen, kommt regelmäßig nur noch der Ausspruch einer Kündigung in Betracht. Daher sei hier noch einmal überblicksartig auf die Grundsätze der verhaltensbedingten Kündigung eingegangen:

Ist der Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) eröffnet, kann der Arbeitgeber seine Kündigung neben personen- oder betriebsbedingten Kündigungsgründen auf verhaltensbedingte Kündigungsgründe stützen. Letztere liegen bei Verhaltensverstößen des Arbeitnehmers gegen arbeitsvertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und die dadurch erfolgende Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses vor.

Folgende Anforderungen werden dabei an das kündigungsauslösende Verhalten gestellt:

  • Der Arbeitnehmer muss durch steuerbares Verhalten objektiv arbeitsvertragliche Haupt- oder Nebenpflichten verletzt haben.
  • Eine für das Verhalten des Arbeitnehmers (und dessen Besserung) gestellte Zukunftsprognose fällt negativ aus.
  • Die Kündigung ist als „ultima ratio“ erforderlich und somit nicht durch eine Abmahnung ersetzbar
  • Die Interessenabwägung im Einzelfall fällt zugunsten des Arbeitgebers aus. Das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung des Arbeitsplatzes steht also zurück hinter dem Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung dessen. Dabei können zu berücksichtigende Belange des Arbeitgebers die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Betriebs, die Gefahr der Nachahmung durch andere Arbeitnehmer oder die Schädigung des Ansehens des Arbeitgebers in der Öffentlichkeit sein.

Wichtig im Rahmen des Prognoseprinzips ist es, dass der Zweck der Kündigung nicht die Sanktion für die Pflichtverletzung ist, sondern aufgrund einer negativen Zukunftsprognose weitere Vertragsverletzungen vermieden werden sollen.

Fazit

Das vorliegende Urteil zeigt erneut, dass Arbeitgeber auch aus außerdienstlichem Verhalten ihrer Arbeitnehmer Konsequenzen ziehen können. Hinter dem Einwand der Vertraulichkeit kann sich nicht ohne weiteres versteckt werden. Selbstverständlich ist stets eine Beurteilung anhand des Einzelfalls notwendig, um einschätzen zu können, ob das Ausmaß eines konkreten Arbeitnehmerverhaltens eine (außerordentliche) Kündigung rechtfertigen kann. Aufgrund einer möglichen erheblichen Beeinträchtigung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kann neben dem Ausspruch einer Kündigung nach den oben genannten Grundsätzen auch der Ausspruch einer Abmahnung gerechtfertigt und geeignet sein, unangemessenem Arbeitnehmerverhalten entgegenzuwirken.

Dies gilt nicht zuletzt auch für das Verhalten im Rahmen betrieblicher Veranstaltungen: So wurde vor dem LAG Düsseldorf im September 2023 (LAG Düsseldorf, 12.9.2023 – 3 Sa 284/23) ein Vergleich bezüglich der Kündigung eines Arbeitnehmers geschlossen, der im Anschluss an die firmeninterne Weihnachtsfeier die Feierlichkeiten auf dem Betriebsgelände mit einem weiteren Kollegen mit erheblichem Alkoholkonsum des betriebseigenen (und nicht für Arbeitnehmer vorgesehenen) Weins fortführte. Während die erste Instanz eine verhaltensbedingte Kündigung als unangemessen einstufte und eine Abmahnung als ausreichend ansah, schlossen auf Vorschlag und unter dem Eindruck der Darlegung der Kammer des LAG Düsseldorf beide Parteien einen Vergleich, der das Arbeitsverhältnis auflöste. Das LAG stellte  zuvor deutlich heraus, dass ein solches Verhalten arbeitsrechtlich als „schwere Pflichtverletzung“ zu werten und durchaus geeignet sei, den Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung zu rechtfertigen.