Abhängige Beschäftigung trotz vertraglich vereinbarter „Freier Mitarbeit“


Ob eine Person als freier Mitarbeiter – auch „Contractor“ oder „Freelancer“ - oder als abhängiger Beschäftigter und damit in der Regel als Arbeitnehmer einzuordnen ist, hängt von der tatsächlich gelebten Praxis ab. Auch die Frage der Geltung der für Arbeitnehmer einschlägigen Gesetze wie Kündigungsschutzgesetz oder Bundesurlaubsgesetz werden von der tatsächlichen Durchführung des Vertragsverhältnisses bestimmt. Dies hat das Landessozialgericht (LSG) Baden- Württemberg in einer kürzlich ergangenen Entscheidung vom 20. März 2023 (L 4 BA 2739/20) erneut klargestellt.

Bei der Entscheidung ging es um die Einordnung einer  Gesamtkoordinatorin des vom Unternehmen betriebenen Jazz Clubs . Die Tätigkeit wurde zunächst mündlich und anschließend schriftlich im Rahmen eines Vertrages über „Freie Mitarbeit“ vereinbart.

Das LSG hat die Tätigkeit entgegen der vertraglichen Bezeichnung als abhängige Beschäftigung eingeordnet. Allein die vertraglich vereinbarte „Freie Mitarbeit“ genüge nicht für eine selbständige Tätigkeit. Das Gericht stellte folglich auch die (rückwirkende) Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung fest.

Abgrenzung freie Mitarbeit/abhängige Beschäftigung 

Arbeitnehmer und damit abhängig beschäftigt ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung fremdbestimmter Arbeit verpflichtet ist (BAG Urteil v. 30. März 2021 – 9 AZR 145/21). Maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit ist der Grad der persönlichen Abhängigkeit. Dabei ist stets die Bedeutung der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit zu beachten und eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Bei der Bewertung können der Grad der Weisungsabhängigkeit (Inhalt und Durchführung der Arbeitsleistung, Ort und Zeit) und die Eingliederung in den Betrieb (Nutzung der betrieblichen Einrichtungen, Zuweisung eines festen Arbeitsplatzes und Einbindung organisatorisch und hierarchisch) Indizien für den Grad der persönlichen Abhängigkeit sein.

Tatsächliche Durchführung in persönlicher Abhängigkeit 

Das LSG bejahte eine abhängige Beschäftigung. Die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses als Koordinatorin eines festen Aufgabenbereichs innerhalb der Betriebsorganisation, die Verantwortung für den gesamten Spielbetrieb und nicht nur für einzelne Aufträge wie auch die feste Eingliederung durch übergreifende Bürodienstleistungen in abhängiger Tätigkeit nach festen Arbeitstagen sprach in der Gesamtschau für eine abhängige Beschäftigung. Ein anderes Ergebnis ergebe sich weder aus der vertraglichen Bezeichnung als „Freie Mitarbeit“, noch aus dem Umstand, dass die Koordinatorin auch für andere Auftraggeber tätig war.

Auswirkungen bei fehlerhafter Einschätzung

Stellt sich heraus, dass ein als vermeintlich freies Mitarbeiterverhältnis abgeschlossenes Beschäftigungsverhältnis vielmehr ein Arbeitsverhältnis darstellt, kann dies mehrere Folgen haben, insbesondere:

  • Die Anwendbarkeit der arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen wie denen des Bundesurlaubsgesetzes, Kündigungsschutzgesetz oder Mutterschutzgesetz
  • Die (Nach-)Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen mit etwaigen Säumniszuschlägen
  • Die (Nach-)Zahlung von Vergütung
  • Bußgelder nach dem SGB IV
  • Strafrechtliche Konsequenzen, vgl. § 266a StGB